Dieser erste Satz
lautet in der Gerling-Biographie: Bedeutende
Menschen ziehen den Zufall nicht mehr und nicht weniger auf sich als
unbedeutende; sie ergreifen ihn nur anders. Und er mag zeigen, warum Wolf
von Niebelschütz hier zu Beginn – im Gegensatz zu dem, was seine Frau wohl von
Arbeitsprozessen späterer Schriften sagt, wo sich bereits alles eingespielt
hatte – doch etwas Mühe bekundete: Er musste sich dem Versicherungsfachmann
Robert Gerling zuerst auf irgendeine Weise nähern können, in ihm etwas
entdecken können, was er auch in anderen Menschen sah, die er bewunderte: Er
sieht in Gerling in der Folge einen Mann, der in anderen Zeitaltern ebenfalls
ein bedeutender Mensch geworden wäre, weil er die Eigenschaft besaß, so der
Autor, die Zufälle der Welt für sich nutzen zu können, sie auf seine Art für
sich arbeiten zu lassen. Denn [i]m nur
Wirtschaftlichen ist sein Werk nicht zu fassen. Er selbst hat, als Breker ihn
1928 modellierte, tiefsinnig davon gesprochen, daß es von einer bestimmten
Daseinshöhe ab gleichgültig sei, was man tue – auch das Politische, auch das
Wirtschaftliche nehme dann künstlerische Züge an, so daß man als Regierer von
Menschen und Ideen seinen Beruf ganz ähnlich auffassen könne wie der Bildhauer
oder Dirigent: die Lust und die Mühsal, gestaltlose Materie zu gestalten. Diese
Anschauung gibt ihm einen Rang, wie er im Umkreis des reinen Geldgeschäftes zu
den allergrößten Seltenheiten gehört. Wolf von Niebelschütz stilisiert
Robert Gerling in seiner Biographie zu einer Art barocken Fürstenfigur, mit
aller dabei mitgedachten Verachtung der gestaltlosen
Materie der bloß herumregierbaren Menschen, aber auch mit der damit
einhergehenden Größe eines solchen Menschen, der selbst im 20. Jahrhundert
versteht, wie man würdig lebt und etwas Großes aufbaut. Denn das seien eben,
wie Niebelschütz im zweiten Satz sagt, ›Charakterfragen‹.
[Vorveröffentlichung
aus der Biographie von Dominik Riedo über Wolf von Niebelschütz: »Wolf von
Niebelschütz. Leben und Werk. Eine Biographie«; erscheint Ende 2013]
Samstag, 13. Juli 2013
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