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Jetzt hab‘ich natürlich den Faden verloren. Aber eines ist endlich –
etwas spät freilich; und überhaupt: wie lange noch? – erreicht: Ich blicke von
meinem Schreibtisch aus ins Grüne hinein! Was das für eine ›Riedeaux-Färbung‹ der
Welt bedeutet, davon machen sich wenige Menschen einen Be-Begriff. – – – Und
vornehinaus lebe ich das ›Flughafengefühl‹: Ei, wie das tut!
Mit 39 (seit 21) wohne ich zum ersten Mal in einem Haus mit einem
Lift: So steigt man vom Niemand zum White Trash auf.
Der Drucker wetzt seine Klauen und zieht das Papier an sich. Er wird zum
Greifvogel, ein Draußen an der Wand, die Auflösung von Innen und Außen, mein
Kopf stülpt mit.
Den für die Schweiz bezeichnenden (Kleinformat-)Charakter –
Notat-Charakter. (Sekundenbücher).
In meinem Luzern zerreißen
Düsenjäger die Luft.
In meinem Luzern wird
auf der Titelseite der einzigen Tageszeitung oft über Kirchliches berichtet (mit
einer Foto, natürlich).
In meinem Luzern fließen
95% des Kulturbudgets ins KKL und das Stadttheater.
Mein Luzern verwendet
Geld aus dem Kulturbudget, um eine Plakataktion zum Bettag zu sponsern.
Mein Luzern baut beim
Kantonsspital für die Angestellten lieber einen riesigen Parkplatz als eine mehrstöckige
Tiefgarage.
Mein Luzern schickt bei
der Einweihung eines Kreisels oder eines Lehrpfades ganz offiziell einen Priester
hin.
In meinem Luzern werden
von einem offiziellen ›Taubentöter‹ Tauben getötet, weil es der Menschen wegen zu
viele gibt.
Mein Luzern hat fast keine
Straßen nach Schriftstellern benannt.
In meinem Luzern hören
Velostreifen an engen Stellen einfach auf.
In meinem Luzern wird
der Schnee auf Velowegen ganz zuletzt geräumt.
Mein Luzern fördert Literaten
120 Mal weniger als Bern.
Deshalb gehe ich ins Exil.
Mein Bern ist jetzt mein
neues Bern.
Poesie sollte nie an die falsche Tür klopfen.
Aus Furcht, er sei ein Stümper. Keine Sätze zu Ende. Aber jetzt wird er
gefeiert. Tote können sich nicht umstülpen. Er liegt in seinem Namen wie in
Formalin.
Sie ringen nach Fassung wie eine Glühbirne und brennen durch.
Das Herkömmliche Erfinden und Erzählen von Fabeln und Geschichten sei
nicht länger haltbar? Wenn aber alles Fiktion ist – letztlich sogar die Welt,
die wir uns zusammensetzen (auch Referenzobjekte haben fiktionale Züge) – …
doch!
Die Tubas von früher, alle, die ich gespielt habe, treffen sich als
Orchester in meinem Kopf.
Leben: ein kardinales Moment von Textgenese.
Klein o, groß O, ‘ne Null – und fertig ist das
Vollmond-Cortison-Gesicht.
Literatur ist (auch) Palliativpflege.
Am Nullstern der Photographie: Ein Salzkorn ändert sich.
Vergeblichkeit ist immerhin, was nicht vergeht. Darin liegt auch das
Scheitern, dem die Kunst entspringt. Denn Nicht-Scheitern hieße, dass da kein
Widerstand mehr wäre und alles aufgehoben.
Aus welchem Schächtelchen kriecht meine aufgeräumte Stimmung?
›Blinder Passagier‹: Er macht alle anderen blind, die ihn nicht sehen sollen.
Schöner Beruf.
Am Ende könnte nicht das Schweigen stehen wollen, sondern das Zurücknehmen:
Auch der geschriebenen Texte wieder in eine Privatheit, die nicht verletzt; die
alles auslöscht: litté-rature.
Die NOTATE, die Salzkristalle und
Trüffelpilze trotz ihrer ›Öffentlichkeit‹ als Para-Literatur: Was denn
nicht? Auch heute noch: Wer liest denn? Wer versteht
denn?
Schritte eines Drumherum-Schreibens.
Eh verdüstert sich die Welt zur Nachwelt: Lieber leben als schreiben.
Aber geht das?
So denke ich an das …… und schreibe es.
Jeder im Spiegel gesehene Gesichtsausdruck, scheinbar passend zum
Leiden, ist eine so piepsige Wiedergabe des ganz großen Weltschmerzes, dass man
sich das Gesicht vom Kopf reißen möchte. (Es ist wie ein ständig falsch zitiert
werden.) (Das Außen gibt es irgendeinmal auf, dem Schmerz einen passenden
Ausdruck verleihen zu wollen.)
Du mit der Plombe im
Zahn
Und dem schmerzenden
Gesichtsnerv
Fuselnd im Therapie-Chemiegemisch
Von nachgewonnenem
Ruhm
Wen haut die
ausgefranste Fanfare
In der fliegenden
Kamera
Noch aus den Socken?
Ich verschwinde aus der Geschichte. Ich verschwinde aus den Geschichten.
Ich möchte ein Erdloch machen, mich drin verkriechen und warten, was
passiert.
Frühling: Hey, wie die Blusen schwellen.
Die deutsche Grammatik als Maschine: ratter-di-tatter-ums-geschnatter.
Texte, wo die Mundart Literatur geworden ist, sind eigen.
Halbbatzig: Beim Geld nie.
Ich will ein volles Leben: Essoterik. Gebt mir Fraß.
Traumsatz oder Satztraum?
Wenn sich Geschichte in einem Satz zusammenballt.
Botschaften aus dem Jenseits / oder / Wie es ist, eine Sonder-Art zu sein.
Die meisten Menschen kommen aus eigener Denk-Leistung nicht mal auf die Quartessenz
einer Sache.
Igel-Psychose? Dämon, dämon. Dämonischer Igel. Was stecken für Stacheln
in mir?
Auf’s Dichten
verzichten
Wicht’re Dinge gehen
fort.
Die Zipfelchen
schwinden
Und dann auch das
Leben.
Und wie ein Spätzlein
Muss willig man vom
Dach: Krach.
Ach.
Neidisch aufs Lachen?! – All
das Groteske lässt mich doch fast vergiggeln.
Und alles alles
frisst sich.
Auch ich möchte
gefressen sein.
So ein Maul muss sich
doch gut anfühlen.
Auch wer stumm liest, hat etwas im Ohr. Auch wer laut hört, hat es auf
der Zunge.
Wer schreibt mir, der ich nicht sehe, in meinem Körper den Text?
Der große Weltkater … Ich möchte kleine schwarze um mich haben …
Die Angst vor jedem neuen Text. Beim Lesen und beim Schreiben. Oder ist es
Freude? (Mittendrin ist es Freude.)
Seltsamer Traum heut‘ Nacht: Man
glaubte mir nie, wie ein Wort geschrieben wird, ich musste ständig im Wörterbuch nachschlagen. Aber die Wörter ließen sich nicht finden.
Arabeske: Die unendliche Fülle in der privaten Einheit.
Und als ein Tag
Hastig wieder kam
Sprach er langsam
Vor sich hin
Nun soll es anders
sein
Ich will das Leid
Aus der Welt
wegtragen
Doch leidet er
plötzlich
An seiner Last
Und lässt es vor dem
Ziel
Dann ganz
Mäuschen klein
Kroch allein
In das dumpfe Loch
hinein
Ging herdrauf
Nicht mehr rauf
Fraß und saß und biss
sich tief
BALD BINDEN SIE MIR
DIE SCHNAUZE ZU
Und ich war da und du
warst da
Und wir hörten uns
schreien
Bis wir taub wurden
Und ich war doch noch
da
Und du warst auch da
noch
Und du bist da und
ich bin hier
Wir sehen einander
Bis wir blind werden
Ich bin da und du
bist da
Aber wir sind
füreinander
Nur dort
Die Welt in den Griffel kriegen.
Ein Scheitern in die Höhe.
Poetik der Ernüchterung: Darauf ein Glas!
Rumpelsurig: Ich vibriere und würde am liebsten die ganze Welt
abschütteln.
Ich baue Texte mal an. Dann sind Tatsachen
geschafft. Da, nehmt, träumt!
Wenigstens die Pultschublade (»Alkoholverwaltung / 4080«) stellt etwas
›Normalität‹ her – übers früher gehörte Geräusch des raschen Zu-Gleitens, wo
alles noch in Ordnung schien.
Die Zeit entstellt
Alle Lebewesen.
Wohin?
Ein Hahn schreit.
Er kann’s nicht
deuten
Er kann’s nicht
zeugen.
Ich kann nie bleiben.
»Ich habe bei den meisten Schriftstellern einen zentralen Satz gefunden
– der freilich bisweilen in mehreren Varianten vorkommt.« – Das ganze Werk als
Variante – aber wovon?
Der Komponist, der nur Finale
schreibt, alles zuvor nur ein Herantasten, Exposés zum Eigentlichen ….
Der Leser möge sich fausten.
Hilflosigkeit anderer hilft mir: Sie lässt mich ein Gegenüber fassen.
›Anlesen‹: Was gibt mir die Welt?
Gebärden. Wichtiges Sich-Gebärden. Sich gebären.
Alles ist Werk. Alles ist Leben.
Niemand hat das letzte Wort: Der große Nobodaddy. Komm, geh.
Oh, kommt, ihr außerplanmäßigen Töchter aus Elysium.
Tafelverhänger, weg mit eurem Tischgezauber. Ich will reinen Schreib-.
AllüberALL
Ist Dunkelheit
Kinder werden Greise
Drei Sekunden später
Sterb ich was für
Einige Zeit
Ist Ewigkeit
Die Erstausgaben meiner Gefühle sind verdruckt.
Zwanghaft Schreiben-Müssen als
Gefängnis.
Alle Schriftsteller träumen von Größe: Ich möchte mal ein Gnom sein.
»Meerlicht«, schreien alle. Zum Meere zieht‘s sie hin.
Die Menschen hocken vor der Ewigkeit wie Frösche.
EIN-AUS
Mir träumte heute
Mein Vater hätte seinen
Schwanz zurückgezogen
Oder ihn schön früher
nur xx xxxxxx Xxxxxx
[xxxxxxxxxxxx
Si hätted nie sälle Chend hah
Aber nun bin ich da
Heute noch
Und …
10.04.2013
Mir blieben nur die Worte. Und nun fehlen mir auch die.
Und Santa Claus spricht: Ho ho ho chi minh …
Mögliche
Texte 12
Was ein Embryo im Vaterleib
denkt, wie er die Welt hört.
Die Kritiker: Schießen los (ei-ei) wie mit dem Maschinengewehr. Nett, sind
sie nur zu Platzpatronen fähig.
Sohnemann bricht den Kontakt ab. Mutterkuchen bringt ihn um. Was meint der
eigentlich, wer er ist?
Der Penner an der Tramhaltestelle, der sich das Kleingeld herauskramt,
das andere im Billetautomaten vergessen haben, aber Geld ablehnt, das ihm direkt
angeboten wird: »Nein, ich will, dein Mitleid nicht!«
Mögliche
Texte 11
Der Ich-Erzähler
wollte eigentlich eine Katze geworden sein: Nun ›reißt‹ er halt immer wieder
welche auf, um in sie hineinzuschlüpfen: Es gelingt ihm. Was davon ist Wahn, nicht
real? Er wird aber von einem Hund zerbissen. Seine letzte Gedanken: »Oh, schön,
doch noch eine Katze geworden zu sein …«