Mittwoch, 30. Oktober 2019

Manchmal habe ich das Gefühl, als dürfe man keine vollständigen Sätze mehr … weil sie alle schon gesprochen und geschrieben … Es gibt nur noch die montierten Zitate – und auch die nur als …
The turn of the Schreckschraube.

Samstag, 26. Oktober 2019

Tages-Show.

Donnerstag, 24. Oktober 2019

Usternest.

Mittwoch, 23. Oktober 2019

Furzum.

Dienstag, 22. Oktober 2019

Stimmchen gewinnchen.
Ich habe ja selbst die Linken gewählt und vor allem: alles Frauen. Weil sie immer noch untervertreten sind im Nationalrat. Aber jefraud wie T. F. schadet den Linken nur: Sieht sie irgendwo die Möglichkeit, ein wenig Medienpräsenz zu bekommen – schwupp, sitzt sie dran. Ich mag das nicht. Und bin leider nicht der Einzige (wenn ich der Einzige wäre, könnte es mir ja egal sein …). Ich mochte es auch nicht, als damals die »Off-Roader-Initiative« (Get the fuck off the road!) aufgegeben wurde, weil man Angst hatte davor, von den Wählern ›abgestraft‹ zu werden. Entweder man setzt sich für eine Sache ein – oder will nur möglichst jedes Stimmchen gewinnen.
Muhgabe! Muhgabe!
Das einfache Schweizer Volk: Für DEN jubelst du?!
Ich: Was meint IHR denn?! Sicher nicht! Es sollen leben die Kühe!

Montag, 21. Oktober 2019

Puhgabe! Puhgabe!
Und jetzt geben sie den Systemen schon lustig-clevere Namen: »›Hohle-der-Lowen‹-System macht Deutsche Bürger reich! Sendung darf nicht ausgestrahlt werden, der Sender ist stinksauer.« DEN stinksauren Sender möchte’ ich mal sehen! 😃
Der angehende Schrifti, Mitte 50: »Mein erstes Buch hält mich auf Trapp.« – Ach so, ja dann ...

Sonntag, 20. Oktober 2019

Was ist los, wenn der Mehrheit einer Gesellschaft jene Ausbildung verweigert wird, die nötig wäre, ein Kunstwerk ohne gewaltige Nebenmühe (cis!) zu genießen?
Ich werde reich UND bekomme einen Mercedes! Schau an:
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DADA. – Dada? Dada caca popo! Listen to the music!

Samstag, 19. Oktober 2019

Der Grosspapa, wir er mal schrie: »Ich werde euch töten, töten!« (Er hat halt Schweine getötet ...)

Donnerstag, 17. Oktober 2019

Yeah!, ich werde schon wieder reich: »HALLO,

 ICH BIN CHARLES W. JACKSON JR., SIE HABEN EINE SPENDE VON 3.930.000,00
EURO. ICH HABE AM 1. JUNI 2019 DIE
344,6-MILLIONEN-DOLLAR-POWERBALL-LOTTERIE GEWONNEN UND SPENDE EINEN TEIL
DAVON AN ZEHN GLÜCKLICHE MENSCHEN UND DIE TEN-WOHLTÄTIGKEITSORGANISATION.
IHRE E-MAIL GING ALS SIEGER HERVOR. SIE KÖNNEN DIE BESTÄTIGUNG MIT DEM
LINK UNTEN SEHEN.

 HTTPS://WWW.CNBC.COM/2019/06/05/344-MILLION-POWERBALL-WINNER-PICKED-HIS-NUMBERS-FROM-A-FORTUNE-COOKIE.HTML

 KONTAKTIEREN SIE DEN SPENDER FÜR WEITERE DETAILS
 E-MAIL: CHARLESJJWW@GMAIL.COM
 CHARLES W. JACKSON JR.
 SPENDE
«
Die Literatur (im weitesten Sinne) ist doch das eigentliche Produkt der (Kultur-)Geschichte.
Was weiß ich … Vielleicht etwa fünf Prozent der ›Menschen‹ sind einfach eine andere Art: Sie sind imstande, fast alles mit erhöhter Sensibilität wahrzunehmen, weil sie die Kulturerrungenschaften von 5000 Jahren so weit in sich aufgenommen haben, dass sie entsprechende Instrumente zur vielfältigsten Erkenntnis besitzen.

Dienstag, 15. Oktober 2019

Wow, ich werde Millionär! Soeben eine Mail bekommen: »Mein Name ist Shane Missler, Ich habe eine Spende von 2 Millionen für Sie. Zu fordern, E-Mail- (shanemissler1993@gmail.com).«
Er, der kleine Dummkopf, der Krebs hat und bald sterben wird. So sagt er sich, er wolle noch ein letztes Mal glücklich sein: Also macht er Schluss mit seiner Partnerin und fragt die Frau seiner ›wahren‹ Träume – sie sagt nein. Und er stirbt einsam und verlassen … Kennen Sie diesen Plot? Sollten Sie aber!
Wie ehrlich glücklich Menschen lachen können, wenn sie Kultur verbrennen dürfen: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/32/Bundesarchiv_Bild_102-14598%2C_Berlin%2C_Opernplatz%2C_B%C3%BCcherverbrennung.jpg.
Doktor-Deutsch: Die Oral-Prüfung ergab: Er lesbelt.

Donnerstag, 10. Oktober 2019

Buch-Idee: Geschichte, wo Kluge (nach einem bestimmten Test oder besser noch: nach ihren bewerteten Leistungen) auf einen Planeten fliegen dürfen, um allein zu sein unter ihresgleichen. Es geht nicht darum, dass sie nicht mehr für die Gesellschaft arbeiten wollen, das tun sie nach wie vor. Sie wollen nur einfach Ruhe, tiefe Ruhe, das ist alles.
Das ist katzegal: miau!
Buch-Idee: Es gibt die Bitte bei Grabschriften, doch kurz den Namen des Toten zur Kenntnis zu nehmen und so gewissermaßen sein Andenken zu bewahren. Einer macht nun sein Leben lang nichts anderes als dies, eine Riesenliste von Namen der Toten, er liest sie alle, alle, immer wieder.
Das ist jetzt eine ehrliche Geschichte. Wirklich. Also: Ab und an melden sich bei Schriftstellern Menschen, die irgendeine unbestimmte, auch von ihnen nicht genau formulierte Hilfe erwarten, beim Umsetzen von ‹genialen Ideen› natürlich. Solche, die mit 81 Jahren noch DAS Buch für Jugendliche schreiben wollen, das dann 1000 Jahre weltweit das Objekt ist, an dem sich die Jugend laben wird (das war eine Frau). Oder eben einer, der will den Frauenfußball neu erfinden. Er würden den Frauen, seine Formulierung nun, «einen kleinen Vibrator am Kitzler montieren. Je näher sie zum Goal kommen, desto stärker fängt der Vibrator an, zu vibrieren. Und diejenige, die ein Goal schießt, darf eine Minute auf voll laufen lassen und sich einen Orgasmus gönnen.
Die Frage ist ja nicht nur, wie Menschen (oder in dem Fall besser gesagt: Männer) auf solche Ideen kommen, sondern für mich drückender: Warum kommen die damit zu mir?!
«Außerdem stieß er bei seinen Nachforschungen auf Falter, die sich mit Artfremden paaren, sich dabei die Geschlechtsteile zerfetzen und missgebildete, unfruchtbare Nachkommen zeugen.» – Könnte mir leider auch passieren … [mit Dank an Giuliano Musio]
Eine Miszelle zu Carl Spitteler

«Endlich kommen wir in diesem Zusammenhang noch auf Spitteler, den Dichter, der es bewiesen hat, dass seine Kraft im Epischen lag, der im ‹Olympischen Frühling› ein umfangreiches Epos geschaffen hat, das nicht übersehen werden darf, wie sehr uns auch ein eigentümliches Unbehagen anwandeln mag.» – Emil Staiger reiht hier in seinen «Grundbegriffen der Poetik» (erstmals 1946; letzte Ausgabe zu Lebzeiten 1987) gewissermassen (‹versteckte›) Ablehnung an Ablehnung. Denn obwohl er Spitteler zugesteht, ein ‹Dichter› zu sein, musste er es ihm erst ‹beweisen›, dass ihm das Epische lag, und trotzdem würde er ihn wohl lieber übersehen, was man aber leider nicht ‹darf›; vor allem jedoch wandelt ihn ein ‹eigentümliches Unbehagen› an: die doppelte Markierung seines Gefühls, das ihn beim Lesen der Texte von Spitteler offenbar überkam – ihn, der mit seiner textimmanenten Methode der Interpretation (‹Begreifen, was mich ergreift.›) das von Texten erzeugte Gefühl wissenschaftlich zu erklären suchte –, zeigt uns, dass sich der Literaturprofessor an diesen Texten vergebens abarbeitete und dass er zusätzlich aus irgendeinem Grunde missgünstig war (denn neidisch musste er als Nicht-Dichter ja nicht sein). Aber da war er nicht der Einzige.
Doch was ist es denn, das in Texten Carl Spittelers (1845–1924) schon zu Beginn der Laufbahn des jungen Dichters, beim Erstlingswerk «Prometheus und Epimetheus» (1880/1881) etwa, Gottfried Keller dasselbe (!) Wort brauchen liess: «Das Buch ist von vorne bis hinten voll der auserlesensten Schönheiten. Schon der wahrhaft epische und ehrwürdige Strom der Sprache […] umhüllt uns gleich mit eigentümlicher [!] Stimmung.» (Brief vom 27.01.1881 an Joseph Viktor Widmann; daraus auch die folgenden Zitate) Rührt es daher, dass Keller sich nicht erklären kann, was «der Dichter eigentlich will», auch «nach zweimaliger Lektüre noch nicht»? Und er trotzdem «gerührt und erstaunt» ist «von der selbständigen Kraft und Schönheit der Darstellung»? Denn alles bleibt ihm zwar einerseits «dunkles Gebilde» und irgendwie «Unmöglichkeit», und trotzdem empfindet er eben andererseits alles «glänzend anschaulich». Diesen Gegensatz muss man sich noch einmal verdeutlichen: ‹dunkel› & ‹Unmöglichkeit› – und eben doch ‹glänzend› & ‹anschaulich›! Was stellen diese Gegensätze anderes dar als das dichterische Eingeständnis, dass hier fühlbar etwas geschrieben steht, was Wichtigstes, Tiefstes beschreibt, das man aber selbst als Fachmann nicht so schnell zu erfassen vermag, ja, dass da etwas versteckt bleibt? Immerhin kommt Keller, selber ein gefühlsbehafteter Mensch (er blieb zum Beispiel auch dann noch Feuerbachianer aus Zuneigung, als die ganze Gelehrtenwelt fast geschlossen Schopenhauerianer war) – was zur Spitteler-Deutung wichtig ist, wie man unten sehen wird –, vermutlich ganz nahe ans Geheimnis, wenn er eingesteht: «Die Sache kommt mir […] vor, wie wenn ein urweltlicher Poet aus der Zeit, wo die Religionen und Göttersagen wuchsen und doch schon vieles erlebt war, heute unvermittelt ans Licht träte und seinen mysteriösen und großartig naiven Gesang [mit solchen ‹Gesängen› kannte sich Keller aus; über Feuerbach schrieb er ja im «Grünen Heinrich»: «Da ist Ludwig Feuerbach, der bestrickende Vogel, der auf einem grünen Aste in der Wildnis sitzt und mit seinem monotonen, tiefen und klassischen Gesang den Gott aus der Menschenbrust wegsingt!»] anstimmte.» Man behalte diese Aussage im Kopf, denn das ‹Urweltlichen› ist es eben wirklich, was bei Spitteler immer eine Rolle spielt ...
Zuerst sollen jetzt noch weitere Stimmen, die sich bis heute ähnlich äussern, belegen, dass mit Spittelers Texten eben etwas vorliegt, das man nicht ganz fassen kann, dem man nicht recht und schnell auf die Schliche kommt. Etwa Peter von Matt, der die Texte insgesamt «schwer zu fassen» findet (vielleicht ein Grund, warum er bis 2019 sich kaum über Spitteler geäussert hat; Zitate – auch die folgenden – alle aus dem Vorwort aus dem Band «Carl Spitteler: Dichter, Denker, Redner. Eine Begegnung mit seinem Werk» von 2019) und sie auch – vermutlich ahnend, dass noch viel mehr darunter verborgen liegt – einen «nichtgehobenen Schatz» nennt.
Diesen ‹Schatz› ein wenig zu heben, macht sich Philipp Theisohn anheischig. Er kommt auch sehr weit, weil er einsieht, dass es sich bei Spittelers Texten um Dichtung handelt, der es «obliegt», dem «eine Stimme zu leihen, das nicht ins Sein gekommen ist» (Nachwort im Lesebuch «Carl Spitteler: Dichter, Denker, Redner. Eine Begegnung mit seinem Werk» von 2019; alles weitere auch von dort). Sie blickten wie «hinab, um dort unten den einen Moment zu erspähen, in dem sich einst alles entschieden hat.» Und er begreift, warum Spittelers zentrale Form das Epos sein musste und hilft uns mit Riesenschritten, dem Geheimnis näher zu kommen, wenn er sagt: «Die Gegenwart erscheint in diesen Texten immer als Resultat einer vorgängigen Verfehlung, die das Epos zwangsläufig als ein Problem der Weltentstehung verhandeln muss.»
Hier kratzt Theisohn mehr als an der ‹Lösung›. Nur einen Schritt muss man noch gehen und sich klarmachen –: Was sagt das denn eigentlich, dass die Gegenwart immer ein Resultat einer vorgängigen Verfehlung ist? Wenn es zum Beispiel um eine spezifische Kindsgeburt ginge, könnte es einfach den Zeugungsakt meinen; aber da Theisohn wie Keller und Staiger vor ihm einsieht, dass dies in jedem Text immer so geht, dieses Spezielle, ist es eben nicht nur irgendeine Verfehlung, sondern immer wieder kommt der geheime Blick auf die Verfehlung, auf die Verfehlung per se, die ursprünglichste Verfehlung allen Seins: Es ist die Verfluchung, die Verdammung des Urknalls, oder, mythischer gesagt, vorzeitlicher, das knirschende Weinen vor dem Umstand, dass es leider nicht nichts gibt. Und in einer kleinen Abwandlung davon die Suche nach dem Warum eines Nicht-Nichts anstelle eines eigentlich präferablen Nichts. – Darum war auch das Theologiestudium Spittelers nicht völlig abwegig: Befand er sich doch schon sehr früh auf der Suche nach dem Sinn überhaupt, nach einer Erklärung für das Dasein im Gegensatz zum Nicht-Sein – nicht nur seiner selbst, sondern der Welt, des Universums. Aber er merkte, wie er eben vieles im Gespür richtig machte, dass die Suche weitergehen würde oder, ehrlicher, dass die Antwort an sich schon feststand: Es wäre besser, gäbe es die Welt nicht. Als Künstler aber glaubte er an die Macht der Literatur, die Menschen hinter diese Dinge sehen lassen zu können und, da sie eben eine Erlösung auch nicht schafft, wenigstens helfen kann, die Welt auszuhalten. Darum auch sein Wahlspruch: «Mein Herz heisst ‹Dennoch›.»
Daher kommt also das seltsame Gefühl all der Lesenden, selbst der Profis. – Aber die Missgunst, fragen Sie? Vermutlich, weil Spitteler schon früh hinter all diese Dinge gekommen sein musste, zumindest intuitiv – schliesslich wusste er bereits als Heranwachsender, dass er Epen schreiben wollte und zeichnete schon eine Menge der später beschriebenen Bilder in Schulhefte (siehe zum Beispiel in «Carl Spitteler zum 100. Geburtstag», Seite 15) –, darf man annehmen, dass er eben auch später vieles intuitiv richtig machte, vieles unerklärlich richtig machte. Er merkte zum Beispiel, dass er beim Erstlingswerk eben bis ins 36. Lebensjahr brauchte, um es veröffentlichen zu können, dass er seine ‹Variantenmühle› durchleiden musste, ohne zu verzagen; dass er auch später viel Zeit brauchte, selbst wenn das hiess, als er noch Brotarbeit leisten musste, dass die Veröffentlichung von Werken Jahre auseinander lag; bis er eben vom ererbten Geld des Schwiegervaters leben konnte und sein Output sich massiv steigerte, ohne schlechter zu werden; bis ans Ende des Lebens, wo er sich wieder zehn Jahre Zeit nahm für sein letztes Werk. Das er also alles im Grossen gesehen richtig machte. Aber Neid vielleicht auch, weil man wie Peter von Matt merkt, dass Spitteler selbst im Kleinen irgendwie alles richtig gemacht hat, gerade dann, wenn seine Verse «derb» sind oder er sich «schnappende Reime» leistet. Oder dass er oft zur historisch (also nicht nur sein Leben betreffend) richtigen Zeit das Richtige tat, wie bei «Unser Schweizer Standpunkt» im Ersten Kriegsjahr 1914 des Ersten Weltkriegs. – Und vielleicht ist es eben doch hauptsächlich auch ein Neid, weil man bei Spitteler lange nicht alles merkt, nicht hinter die Hauptsache kommt, oder erst langsam. Auch ich brauchte 24 Jahre dazu.
So oder so: Spitteler hat – irgendwie – fast immer alles richtig gemacht. Und er kam dem Geheimnis des Lebens beziehungsweise des Universums auf die Spur sowie der ewigen Daseinsberechtigung für die Kunst, die Literatur. Unser aller Herz heisst: DENNOCH!
Corpspussi: nekro, nekro, bist so sexy …
«Verheiratete Frauen wollen Sex im Rampenlicht» – aber vermutlich auch Kuchen im Rampenlicht und überhaupt: Wer will schon KEINEN Sex und KEINEN Kuchen, außer ????

Mittwoch, 9. Oktober 2019

Zur Freude der Imaginierer 
Eine Spitteler-Anthologie im Jubeljahr 2019


Eine leuchtende, überwältigende Bilderfülle schlägt uns entgegen. Alles ist sichtbar, nicht nur die ungezählten Dinge und Götterwesen, sondern auch jene Welt, die uns als innere, unsichtbare gilt; seelische Regungen, Leidenschaften, alles nimmt körperliche Gestalt an.

Was der Germanistik-Professor Emil Staiger hier so preist, müsste nicht zwangsläufig gut sein. Denn Staiger mochte meist eine biedere, bürgerliche Art von Literatur, die in vielen Fällen eher reaktionär war. So kam es 1966 nicht zufällig zum Zweiten Zürcher Literaturstreit zwischen Staiger und Max Frisch. Doch Carl Spitteler, um den es im Zitat geht, wurde zu Lebzeiten (1845–1924) und noch einige Jahrzehnte danach eben nicht bloss von Liebhabern der «klassischen Literatur» geschätzt, sondern auch (und sogar eher noch früher) von progressiven Kollegen und Literaturkritikern wie Carl Albert Loosli und Jonas Fränkel. Das könnte schon ein Phänomen für sich sein. Aber es wird erst recht eines, wenn man dann lernt, dass Spitteler vor allem nach 1945 ziemlich schnell einmal als verstaubter Autor galt und immer weniger gelesen wurde – und zwar wieder sowohl von den fortschrittlichen Literaturkennern wie aber auch von denen, die sonst dem Kanon zugetan waren.
Dabei hatte Staiger schon recht. Was Spitteler zum Beispiel in seinem Roman «Imago» (1906) macht, wie er da das Innenleben des Protagonisten mit reichem Figurenleben nach aussen projiziert, das hatte schon die psychoanalytische Schule um Sigmund Freud als aussergewöhnlich begriffen und ihre Zeitschrift für die Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften nach dem Roman benannt. Aber auch Spittelers Epen, wie etwa der «Olympische Frühling» (1900–1905; neue Fassung 1909; Spitteler erhielt für dieses, sein Hauptwerk, vor hundert Jahren den Literatur-Nobelpreis verliehen, was 2019 allenthalben pompös gefeiert wird), zeigen ihn als grossen Imaginierer: Das Epos ist voller lebhafter Figuren, die dem Lesenden eine bunte Welt vorführen, die wir heute der Fantasy-Literatur zuordnen könnten.
Dies macht auf jeden Fall Peter von Matt, emeritierter Professor der Universität Zürich und weit über die Landesgrenzen hinaus bekannter Literaturkritiker und -deuter. Vielleicht gelingt es ihm in diesem Spitteler-Jubeljahr mit seinem Namen, Carl Spittelers Werk, das laut von Matt «ein nicht gehobener Schatz» darstellt, «derb und sinnlich, subtil und erkenntnistief, mit nichts Bekanntem zu vergleichen» (Vorwort aus dem hier rezensierten Buch), wieder bekannter zu machen. Denn laut von Matt kommt noch dazu, dass Spitteler nicht etwa veraltet sei: «Herausragend etwa der Text ‹Vom Volk›. Er analysiert scharfäugig, wie in der Politik mit dem Wort ‹Volk› umgegangen wird, und man stellt verblüfft fest, dass alles, was er aufdeckt, auch heute noch geschieht.»
Dass dies nicht etwa der einzige öffentlichkeitswirksame Text Spittelers war, den man bis heute lesen kann, wissen Literaturbeschlagene auch selbst, die sich vermutlich vor allem an «Unser Schweizer Standpunkt» (1914) erinnern werden, die Rede, in der Spitteler zu Beginn des Ersten Weltkriegs zur absoluten Neutralität aufrief, oder die Rede zum Gottfried-Keller-Jubiläum 1919, die als eine der besten von damals gilt.
Die Anthologie des Nagel & Kimche-Verlags, herausgegeben von Stefanie Leuenberger, Philipp Theisohn und eben Peter von Matt, macht sich nun anheischig, den Lesenden «eine Begegnung» mit dem Werk Spittelers zu verschaffen. Und tatsächlich trifft das zu weiten Teilen zu. Spitteler wird mit klug ausgewählten Texten aus seinen Wirkbereichen als Dichter, Denker und Redner vorgestellt. Als Hilfe zur Interpretation, oder um überhaupt ins Werk hineinzukommen, sind dem Buch neben dem Vorwort von Matts vier Einleitungen Stefanie Leuenbergers mitgegeben sowie ein Nachwort von Philipp Theisohn. Für den Kenner von Spittelers Werk ist dieses Nachwort das, was den Band richtig wertvoll macht. Theisohn breitet darin – gestützt darauf, wer Spittelers geistige Anverwandten sind – in aller Kürze so etwas wie eine Erklärung für des Dichters Kreativität aus und was ihn von anderen Literaten unterscheidet. Selbst dafür, warum er in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts derart bekannt war, hat er Ansatzerklärungen, und warum diese Gründe in der zweiten Hälfte wegfielen. Überraschend auch die Auslegungen, dass gerade der Rückgriff in die Epenwelt das ist, was Spitteler heute wieder lesbar macht und modern – oder besser gesagt: überzeitlich. Doch die Genialität, wie Theisohn all das darlegt, wie er bei einem Gedicht wie «Die Mittagsfrau» (in der Anthologie auf Seite 297f.) den Zauber erklärt, den es ausübt, und wie er zur knappsten Fassung von Spittelers Poetologie kommt («Die Kunst kann und soll nicht erlösen – sondern die Welt aushalten»), das lese man am besten selbst nach.
Das Lesebuch bietet neben den klugen Beiträgen der drei Herausgeber den ganzen Roman «Imago», einige Erzählungen, Ausschnitte aus den Epen, Gedichte, Essays, einen Ausschnitt aus dem Werk «Der Gotthard» (1896) und zwei Reden.
Die einzigen drei kleineren Schwachpunkte sind das Fehlen eines Ausschnitts aus den wunderbaren Kindheitserinnerungen «Meine frühesten Erlebnisse» (1914), die vielleicht falsche Auswahl aus dem «Olympischen Frühling», obwohl doch Peter von Matt in seinem Vorwort Seite 8 auf einen schöneren Teil verweist, sowie die Einteilung des Buches in vier Abschnitte: Erzähler, Dichter, Denker, Politiker – obwohl es doch der Untertitel des Buches – Dichter, Denker, Redner – besser macht, da Spitteler sich eher als Dichter denn als Erzähler sah, und vor allem nicht als Politiker. Am Ende seines Lebens war er stolz darauf, zu sagen, er habe einzig mit der Rede «Unser Schweizer Standpunkt» sich politisch betätigt, sonst nie, geschweige denn sei er Politiker gewesen.
Dies alles aber wiegt wenig im Vergleich zum Umstand, dass sich drei wichtige Literaturkenner einem Werk annehmen, das droht, vergessen zu gehen, und dem zu wünschen bleibt, dass es wenigstens in diesem Jubeljahr 2019 wieder vermehrt gelesen würde. Denn der «Welt den ‹Prometheus› [1880/1881 bzw. Neufassung 1924] schenken, und die Welt geht ihren Gang weiter, als ob nichts geschehen wäre, das ist furchtbar», meinte bereits Rilke.

Stefanie Leuenberger, Philipp Theisohn und Peter von Matt (Hgg.): Carl Spitteler. Dichter, Denker, Redner. Eine Begegnung mit seinem Werk. Vorwort von Peter von Matt. Erläuterungen von Stefanie Leuenberger. Nachwort von Philipp Theisohn. Nagel & Kimche 2019. 470 Seiten. 38.90 Franken. 978-3-312-01122-3 (auch als E-Book erhältlich)