Sie stand da, wie eine Dame. Aber nein, zuvor war sie schon speziell. Sie erhob sich ganz langsam, als ich eintrat, etwas mühsam, das Fell der Perserin war strubbelig, als wäre es nass, dabei war es nur ihr Alter, und rasiert war sie auch noch an diversen
Stellen, weil sie gerade völlig verfilzt gewesen war, aber trotzdem stand sie,
ganz klein am Boden unten, gerade einmal bis an mein Knie reichend, stand sie da
wie eine Dame. Sie schaute ein klein wenig nach rechts und links, sehr
indigniert, was die Jungspunde für einen Radau veranstalteten, mir auf die
Schultern springend vom nackten Fußboden, die Köpfchen an mir reibend, mauzend,
Zuneigung abzwingend (man muss sie einfach streicheln, man muss). Maika aber
stand da, zitterte vor Schwäche leicht in den Beinen, schaute kurz hoch, wieder
geradeaus, was wollte man von ihr?
Ich aber wollte
sie, keine junge Katze, und als ich sie abholte, im Sommer 2010, mit dem Mietauto,
las ich etwas wie Erstaunen in ihren Augen, dass sie mitgenommen wurde. Während
der Autofahrt war sie ruhig, miaute nicht, schaute etwas nach vorne, irgendwann
legte sie sich hin. Zuhause aber, als der Transportkorb sich öffnete, trat sie
in einer erstaunlichen Sicherheit heraus, erkundete einige Meter Wohnung, roch
an der Toilette, entschied sich aber bald einmal, das Sofa zu besteigen und wie
eine Königin dort zu sitzen: eine Pfote auf der Lehne, halb aufgerichtet, alles
überblickend. Von da an hieß sie auch «Madame».
Schon ein Tag
später, als Nosi sich vom Schlafzimmer nach vorne traute, vor allem aber als
wir auch noch Nina hatten, verlegte sie ihr gesamtes Leben praktisch auf den
Küchentisch. Sie saß dort, sie lag dort, sie wollte dort fressen. Nur für die
Toilette verließ sie den Tisch noch. Das war denn auch der Hauptgrund, warum
sie nach einigen Monaten zu meinem Bruder konnte, wo sie die einzige Katze war,
was ihr sehr passte. Dort endlich hatte sie wieder eine ganze Wohnung für sich.
Und konnte sich die Augen etwas putzen, die sie als nicht grob überzüchtete
Perserin zwar nicht völlig tränend, aber doch immer wieder feucht hatte, weil
der Tränenkanal bei der krummen Nase meist völlig abgeknickt oder eben leicht
verengt ist.
Nur das Ende
war dann nicht schön. Sie vermittelte mir das brutalste Bild des Todes, das ich
bis heute gesehen habe: Bei der Tierärztin, auf dem Untersuchungstisch, der ihr
Sterbeplatz werden sollte, erhielt sie die Betäubungsspritze – und als sie
merkte, dass sie langsam einknickte, versuchte sie noch zu fliehen, mit den
beiden Vorderpfoten sich über den Metalltisch schleifend, weil ihre Hinterbeine
krankheitsbedingt seit einigen Stunden völlig gelähmt waren, aber sie wollte
leben, sie kroch und kroch, obwohl mein Bruder und ich sie streichelten, bis
sie einschlief.
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