Donnerstag, 28. August 2014

FEUERBACH UND DER SÜDEN – EINE REISE GEN ITALIEN (REPRISE UND FORT-SETZUNG)
Wenn wir sprechen, sind uns für das, was wir sagen können, verschiedenste Schranken gesetzt: Unter anderem von der Grammatik der verwendeten Sprache, von den äußeren Umständen des Sprechens, von der besprochenen Wirklichkeit, von der Logik. Poetisches Sprechen versucht, sich von einzelnen oder mehreren solcher Einschränkungen zu befreien; und zwar so, dass dabei gegenüber den gewöhnlichen Verständigungsweisen nicht nur eine Störung, sondern zugleich ein Gewinn herbeigeführt wird.
Das kann auch auf die philosophische Grundhaltung Feuerbachs übertragen werden: Die Tatsache, zur Gattung Mensch zu gehören, ist für Ludwig Feuerbach nicht ein das Individuum ausschließlich belastendes Erbe. Sie ist vielmehr Angebot und Herausforderung für den Einzelnen, die Schranken des Stammes zu durchbrechen, innerhalb des Menschseins freier zu werden in der singulären Abweichung vom Allgemeinen. Neben dem sprachlichen Kunstwerk sieht Feuerbach vor allem die sexuelle Sozialbeziehung als sehr direkte Möglichkeit, das Leben individuell zu gestalten: Einfach gesagt schon nur im Gegensatz zu dem, was früher wildes Fortpflanzen war.
Wenn Goethe nun auf seiner Italienreise auf dem Rücken seiner Geliebten die metrischen Rhythmen der gerade entstehenden Gedichte sich vorklopfte (»Oftmals hab‘ ich auch schon in ihren Armen gedichtet / Und des Hexameters Maß, leise, mit fingernder Hand, / Ihr auf den Rücken gezählt, sie atmet in lieblichem Schlummer / Und es durchglühet ihr Hauch mir bis ins tiefste die Brust.«), so vereinigt er genau diese beiden Elemente: In der Liebe die Freiheit der Lyrik (Abweichung) vom sonst vorgegeben Rhythmus des Sprechens und Lebens (Norm).

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