FEUERBACH UND DER SÜDEN
– EINE REISE GEN ITALIEN (REPRISE UND FORT-SETZUNG)
Wenn wir sprechen,
sind uns für das, was wir sagen können, verschiedenste Schranken gesetzt: Unter
anderem von der Grammatik der verwendeten Sprache, von den äußeren Umständen
des Sprechens, von der besprochenen Wirklichkeit, von der Logik. Poetisches
Sprechen versucht, sich von einzelnen oder mehreren solcher Einschränkungen zu
befreien; und zwar so, dass dabei gegenüber den gewöhnlichen
Verständigungsweisen nicht nur eine Störung, sondern zugleich ein Gewinn
herbeigeführt wird.
Das kann auch
auf die philosophische Grundhaltung Feuerbachs übertragen werden: Die Tatsache,
zur Gattung Mensch zu gehören, ist für Ludwig Feuerbach nicht ein das
Individuum ausschließlich belastendes Erbe. Sie ist vielmehr Angebot und
Herausforderung für den Einzelnen, die Schranken des Stammes zu durchbrechen,
innerhalb des Menschseins freier zu werden in der singulären Abweichung vom
Allgemeinen. Neben dem sprachlichen Kunstwerk sieht Feuerbach vor allem die
sexuelle Sozialbeziehung als sehr direkte Möglichkeit, das Leben individuell zu
gestalten: Einfach gesagt schon nur im Gegensatz zu dem, was früher wildes
Fortpflanzen war.
Wenn Goethe nun auf seiner Italienreise auf dem
Rücken seiner Geliebten die metrischen Rhythmen der gerade entstehenden
Gedichte sich vorklopfte (»Oftmals hab‘ ich auch schon in ihren Armen gedichtet
/ Und des Hexameters Maß, leise, mit fingernder Hand, / Ihr auf den Rücken
gezählt, sie atmet in lieblichem Schlummer / Und es durchglühet ihr Hauch mir
bis ins tiefste die Brust.«), so vereinigt er genau diese beiden Elemente: In
der Liebe die Freiheit der Lyrik (Abweichung) vom sonst vorgegeben Rhythmus des
Sprechens und Lebens (Norm).
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