Dienstag, 31. August 2010

Heutzutage klatscht man nicht mehr, wenn ein Flugzeug sicher gelandet ist. Offenbar nimmt man es für selbstverständlich, nicht zu sterben.
Wer aus seinem Liebsten einen Engel macht, macht aus seinen Feinden Teufel.
Ich muss erst mühsam lernen, wofür ich geschaffen bin.
Die Gegenwart ist ein Provisorium.
Oft meint einer, der im hohen Bogen fliegt, er steige auf.
Die meisten Menschen hätten, dürften sie sich selbst nie zum Thema machen, praktisch nichts zu sagen.
Jeder sieht sich selbst als Ausnahme von der Regel.
Die große, reiche Welt besucht die Theater, wo ihr vor blendenden Abendkleidern und klimperndem Schmuck eine gespielte Welt des Hungers und des Elends aufgetischt wird, während die kleinen, armen Leute sich in die grottenhaft zurechtgemachten Eventlokale presst, um einen Schimmer der Welt abzubekommen, wie sie ihn sich bei den Reichen imaginiert.
Die zuzeiten unreflektierten und dämlichen Handlungen von Genies sind weiter nichts als Sarkasmen an/in einer Welt, die die ihre eigentlich nicht ist.
Einmal anders gedacht: Das menschliche Denken hat der Welt die Zeit abgerungen. Und damit die Ewigkeit. Denn selbst ohne Welt läuft die einmal erfundene Zeit ewig weiter. (Oder?)

Montag, 30. August 2010

Unsterblichkeit ist mit Literatur um einiges einfacher zu erlangen als ein zahlendes Publikum.
Im Gegensatz zum Leben sind die Träume selbstgewählt. Oder ist es umgekehrt?
Schauergeschichten? – Der Geist der modernen Welt ist längst verstorben.

Sonntag, 29. August 2010

Oder: Balzkristalle und Schnüffelpilze.

Samstag, 28. August 2010

Die XXX: »Was denn? Was denn? Wir haben doch nichts gegen Rausländer …«
Schleim-Schlammitzky. (Auch wenn er ein Manuskript von mir zum Lesen mit nach Hause genommen haben soll …)
Aufmucksamkeit.
Neuer Liberalismus – lies: rabiater Kapitalismus.
Opera condensata gegen eisige Köpfe und kalte Herzen.
Zeitungen heute: Der tägliche Rotationsleerlauf …
Gib ihnen ihren allmächtigen Unterhaltungsfaschismus, die kollektive Amnesie, Volksverblödung heute.
Lebensschreibung statt Steinbruch! (Biographie statt Karriere!)
Die meisten verstehen recht gut – aber oft nicht gern.
Druckebürgers Ja-und-Amen.
Eine Ehe ist selten das Gelbe vom Lebensei – der Beruf muss da oft das Eiweißhaltigere abgeben.

Freitag, 27. August 2010

Heimat? –: Wurstologisch: St. Galler Bratwurst, Berner Wurst, Basler Rheinwurst, Züri-Gschnetzlets in Wurstform … isst eh alles Wurst, Hauptsache: Wurst! Wurstmenschen allen Örtchens; wo sie‘s meist haufenweise rauspressen. Arme Würstchen! Vereinzelt erbärmlich, paarig oft schon erfrecht, in Massen jedoch eine bedrohliche Naturgewalt: Wwwia sind Wwwia(schtl …), nichts geht über uns!!!
Ein demokratischer Staat garantiert theoretisch die Gleichheit der Möglichkeiten (nicht die Gleichheit an sich: wir sind per Geburt alle anders). Deswegen sorgt er meist für genügend Ruhe unter den Bürgern, damit kein so genanntes Unrecht geschieht. Was jedoch fast immer vergessen geht: Man sollte auch dafür sorgen, dass jedem Individuum genügend Unruhe gestattet ist, die es braucht, um die größtmögliche Entfaltung der ihm gegebenen Begabungen herauszufordern. (Wieder einmal also sorgt man eher für die Denkschwachen als für die Denkstarken. Meint also die Gleichheit der Möglichkeiten bloß ein ›Hochheben‹ aller auf eine ›Mindesthöhe‹?)
Fast jedes Schweizer Theater ›leistet‹ sich einen so genannten ›Keller‹ (in Luzern ›das UG‹), wo man dann die unbequemen Kinder unterbringt, also jene Theaterstücke, die nicht dem bereits gefestigten Kanon entsprechen. Die Praxis nennt sich ›Fortschrittliche Theaterlandschaft Schweiz‹.
Entgeht dem Menschen einiges an Erkenntnis bloß deswegen, weil er den Schmerz zu sehr fürchtet?
»Geschlechtskranke«: So Hobby-Historiker, die nur an der eigenen Herkunft & Familie interessiert sind.
Würden Menschen auch in ihrer Heimat bleiben, wenn sie eindeutig und beweisbar blind machte?
Das schriftsprachlose Kleinland?

Donnerstag, 26. August 2010

Müssen wir offen sein auch für das Unerwartete, das sich nicht als Resultat einer unvollkommenen Erkenntnis oder unzureichenden Kontrolle erklären lässt? Die Wissenschaft sagt: Ja. Und: Tut das weh?
Die Firma hat ein schlechtes Image? – Man ändert nicht die miserablen Geschäftspraktiken, sondern lanciert eine langfristige Presse- und Öffentlichkeitskampagne, die Abhilfe schaffen soll.
Höllvetia Park.
Der Zweck jeglicher Erziehung müsste das Glück sein, nicht ein irgendwie anders gearteter Vorteil. (Auch wenn es kitschig tönt.)

Mittwoch, 25. August 2010

Lob der Kleinheit, nicht der Kleinlichkeit.
Die subjektive Perspektive der ›Qualia‹ lässt sich (noch) nicht durch die objektive Perspektive der Naturwissenschaften erschließen. Aber dazu ist ja (bisher) unter anderem die Literatur da.
Alle menschlichen Tätigkeiten haben eigentlich den Sinn, Schrecken und Störungen zu beheben bzw. gar nicht erst richtig aufkommen zu lassen, dienen also gewissermaßen zur Systemregulierung (des Ichs). Aber wie ist das bei jemandem, der all dies bereits zum Vornherein als bloße Selbstregulierung durchschaut?

Dienstag, 24. August 2010

Die blinde Liebe löst die Wahrheit auf wie der Essig die Perle.
Unter Vorbildern wandern ist wie unter Gestirnen wandeln.

Montag, 23. August 2010

Ich verzweifle, also bin ich.
Wer der Religion das Vorhäutchen gibt, den hält sie schon beim Kopf. (Auch: Wer der Psychoanalyse das Vorhäutchen gibt, den hält sie schon beim ganzen Genital.)

Sonntag, 22. August 2010

Ach, sind wir nicht schon lange eine Gesellschaft, der alles neu, aber nichts aktuell genug ist?

Samstag, 21. August 2010

Würden in der Welt die Teufel mit Hörnern und die Narren mit Schellen einhergehen, so kämen sich die paar wenigen in der Stierarena und bei der Fasnacht verloren vor.
Schmutzgeschäfte ergeben den größten Reingewinn.
Den meisten kommt der Frühling stets ein paar Kilos zu früh.
Wer eine Lebensversicherung abschließt, kann ganz schön auf die Welt kommen.

Freitag, 20. August 2010

Warum schreiben die Staaten nicht mehr solche Wettbewerbe aus wie: Legen Sie plausibel dar, warum die als ›Naturalistischer Fehlschluss‹ bezeichnete Schlussweise tatsächlich fehlerhaft ist? – Ich meine: Es steht pars pro toto für das, was Staaten heute nicht mehr tun, nicht mehr sind. (Der Bundesrat: Was ist ein ›Naturalistischer Fehlschluss‹?)
Das Schreckliche ist nicht, dass wir nicht in der besten aller möglichen Welten leben, sondern dass wir eventuell darin leben und sie trotzdem viel zu schlecht für uns ist.
Denk mal!-Schutz
Täglich frische Leichen für die Zeitungsfresser.
Manchmal komme ich mir in der Welt so falsch vor wie ein Marienkäfer, der winters im Zimmer zu leben beginnt – erstaunt, dass seine Instinkte nichts ›Natürliches‹ erkennen und langsam zugrunde gehend.
Samenbank: Die Menschheit gebraucht selbst da solch immer auch pekuniären Worte: die Menschen als Wertanlage; wenn sie nicht rentieren, stößt man sie ab etc.
Aber es gibt Tage, da scheint einem selbst der weiße Faden auf einer schwarzen Hose des Nachbars der Welt Peinlichkeit aufzuzeigen.
Wenn man mit der Sprache auf eine anstrengendere, bewusstere Art als sonst ringen muss, wird die Welt, die in dieser Sprache enthalten ist, lebendig erneuert.
Ob Literatur überhaupt erst zustande kommt beim Übergewicht des Bezeichnenden vor dem Bezeichneten? (Was leider auch der Formalisten Meinung ist …)

Donnerstag, 19. August 2010

Beim Arzt: »Der Reichste bitte!« - Es wird so weit kommen. (Sind wir nicht schon fast da?)
Ob ein seelig Glaubender wirklich ganz fest glaubt, was er glaubt, finde man heraus, indem man ihn einen Fluch sprechen lasse, der über ihn kommen soll, wenn es keinen Gott gibt, so wie er ihn glaubt.
Negativer Auftrag von Sprache: Das Unsagbare ist nicht unsagbar. Denn mit Sprache lässt sich bis an die Grenzen der möglichen Begriffsarbeit gehen; dadurch umgrenzt sie den Bereich, an den Sprache nicht herankommt.
Literatur ist wie der elfte Glockenschlag: Er passt perfekt zu den zehn vorangegangenen und lässt alles offen. Die Vollendung wäre dann der zwölfte Schlag, der schlicht das Leben selbst wäre, das wir so selten finden und wenn, dann ist es wirklich das letzte Stündchen, das geschlagen hat.

Mittwoch, 18. August 2010

Nur jene Schriftsteller, die wirklich etwas können, sollen genug verdienen. Diese Haltung ist so was von verlogen: Als könnten nicht B-Fußballer von ihrem Rumgekicke leben, als wäre die Karriere von bloß regional bekannten Architekten nicht gut mit Geldscheinen gepolstert. Es zeigt halt, was die Kunst den Menscherl wert ist. (Und ich sage das nicht aus Bitterkeit: Ich habe soeben eine Staats-Förderung erhalten.)
Die Welt kann nicht viel mit mir anfangen. – Ich mit ihr auch nicht.
Eigentlich hat ja alles keinen Zweck; aber warum schreibe ich dann noch, warum schreie ich noch? – Um meine Stimme in den Kanon einzumischen der poetischen Hymne jener, die im Schmollwinkel des Wolkenkuckucksheims sitzen.
Ich sehne mich nach einem Dasein ohne Gewicht. Befreit vom Panzer des Selbst würde man zu einem quasi fliegenden Wesen, das sich als Mensch in Texten bloß ausgibt und maskiert. (Aber ist nicht die Sonne so nah, so nah ... ?)

Dienstag, 17. August 2010

Die kühne Vision der Kulturschaffenden fehle heutzutage, es fehle der große gesellschaftliche Gegenentwurf. Ja, wie wär es denn mit einem totalen Auto-Verbot in allen Städten? Menschen würden ruhiger, Menschen würden wieder eher da wohnen, wo sie eine Arbeit haben, die dumme totale Mobilität würde als Ganzes überdacht, die Umwelt atmete auf, der Lärm wäre um vieles kleiner, weniger Tote, weniger Schmerz, nur Fahrräder und Fußgänger und die notwendigsten motorisierten Vehikel auf den Straßen … – aber: wer will denn das schon? diesen ›großen‹ gesellschaftlichen Gegenentwurf?
Früher bedeckte man mit der Hand den Mund, wenn man gähnte. Wohl auch, weil selten jemand noch schöne Zähne besaß. Heute zeigt man, was man hat. Überall.
Der Roman eignet sich besser fürs Historische als der Film: Dieser, in der Totalität seines Blicks, ist dazu verdammt, Tausende kleine Fehler zu machen. Prosa aber kann aussparen und hat darum die Möglichkeit, fehlerlos zu sein. (Ausnahme beim Film: Wenn man – wie Kubrick – gleich eine Vergangenheit schafft, die sich am Kunstwerk, ja am Kunstblick einer vergangenen Zeit orientiert.)
Versuche das Unmögliche: Tanz den Tanz der Puppen, deren Schwerpunkt außerhalb ihrer selbst liegt (Kleist).
Was nie vollkommen gelingen wird: Die Literarisierung des eigenen Todes.

Montag, 16. August 2010

Wer heute für sich noch ein Schicksal, ja gar eine göttliche Vorherbestimmung in Anspruch nimmt, der schreibt dies auch den in Auschwitz ermordeten Juden zu; wer sagt, sein Leben bewege sich auf ein ihm gegebenes Ziel hin, der impliziert, auch jene Leben der Ermordeten hätten ein solches gehabt – das eben nur die Gaskammer habe sein können. Wer dies denkt und/oder sagt, ist recht eigentlich ein Nazi. (Oft ohne, dass er es weiß; aber schützt Nichtwissen vor Strafen in einer sich modern nennenden Welt?)
Der Muttermund am Anfang, das Maul der Erde am Ende. Da ich aber per Kaiserschnitt zur Welt kam, welchen Tod darf ich erwarten?
Wahre Schriftsteller sind oft Schattenwesen: Im Leben treten sie recht ombranisch auf, gerade so, dass man sie kaum wahrnimmt; dafür bleibt ihr Schatten auch nach dem Tod noch auf Erden, als säßen sie weiterhin auf ihrem Stuhl, die Welt beobachtend.
Im schöpferischen Gelingen liegt stets – egal, wie dunkel der Stoff auch sein mag – ein Element der Erhellung, der Durchheiterung.
In einem perfekten Kosmos wäre keine Erkenntnis möglich, da es keine Inkongruenz gäbe zwischen der Welt an sich, und dem Begriff, auf den die Vernunft sie zu bringen unternimmt. Dafür gäbe es auch keine Schmerzen.

Sonntag, 15. August 2010

Ich bin auch (siehe Karl Kraus) größenwahnsinnig: Ich weiß, dass ich den Nobelpreis nie bekommen werde …
Würde man die Schweiz plattwalzen, wäre sie so groß wie Russland. – Fragt sich nur, ob man sie besser mit einem Teigroller walzt oder mit Panzern.
Überzeichnung, Stilisierung, künstlerischer Wille: nur dadurch darf die Literatur von der Realität abweichen; nicht aufgrund falscher Beobachtungen.
Journalisten wollen meist ebenso wenig von ihren Artikeln von gestern wissen, wie sie morgen von ihren Artikeln von heute wissen werden: Sie reden sich in eine völlige Beliebigkeit eines Geplappers, das allen Einfluss, aber keine Bedeutung hat.

Samstag, 14. August 2010

Humor hat in der Kunst mit existentiellem Ernst zu tun. Sonst ist es bloß Klamauk.
Die meisten Menschen sehen die Welt ein Leben lang mit den Augen ihrer Eltern.
Große Kunst ist immer eine verstörende Vision – bei vollem Bewusstsein.

Freitag, 13. August 2010

Kein Mensch glaubt ernsthaft, dass alles auf Erden gut sei. Aber fast alle glauben, dass alles gut werde.

Donnerstag, 12. August 2010

Solange man nicht tot ist und kein Geist, bleibt nur die tröstliche Möglichkeit, dass es die Welt, gegen jene jenseitige gehalten, im Grunde nicht gibt.
Da die Wirklichkeit vermutlich nichts weiter ist als ein universaler Betrug und zweckdienlicher Schwindel, so ist es die Tugend aller Literatur, sie eben darin noch zu übertrumpfen.

Mittwoch, 11. August 2010

Die Leserinnen und Leser sollten beim Lesen immer im Hinterkopf behalten müssen, dass auch sie eventuell nur eine Erfindung des Autors sind.
Der Geist ist zwar etwas Hochfliegendes – etwa wie ein Papier-Drache; aber die Schnur hält unten immer der Philister fest in der Hand. Der edelste Gedanke ist nicht nur hochfliegend und rein, sondern auch Produkt der niederen Wut oder der Verzweiflung dessen, der ihn dachte. (Voilà das Leben)

Dienstag, 10. August 2010

Anstatt farbig zu träumen und schwarz-weiß zu denken, sollten die meisten Menschen mal versuchen, monochrom zu träumen und dafür bunt zu denken.
Ich möchte in einer Welt leben, in der die Natur sich nicht derart sklavisch an alle Vorschriften hält: ein Eimer kaltes Wasser nie plötzlich sieden kann; ein durcheinandergemischtes Kartenspiel nie plötzlich geordnet vor einem liegt; und ein auf die Tastaturen eines Computers hämmernder Affen nie die besten Bücher eben dieser Welt schreibt. Wer das nicht versteht, wird mich nie verstehen.
Sind Schriftsteller – nach Plessner – immer Karikaturen ihrer selbst, da das Innere, das sie zur Sprache bringen möchten, an den Grenzen des Körpers und dessen begrenzten Ausdrucksmöglichkeiten fast immer zerschellt, zerschellen muss? Aber die paar wenigen Ausnahmen, was ist mit ihnen?

Montag, 9. August 2010

Ein Autor muss seinem Werk eine feste Struktur geben: nicht, um der Welt den Anschein von Ordnung, sondern um ihrer Abbildung jene Klarheit zu geben, die die Darstellung von Unordnung erst möglich werden lässt.
Ein erzählender Schriftsteller operiert – leider! – mit Wirklichkeiten: aus dem Wunsch heraus, eine vorhandene nach seinen Vorstellungen zu korrigieren, erfindet er eine zweite, die in einigen offensichtlichen Punkten (und vielen gut versteckten) von jener ersten abweicht. (Aber ist die erste nicht auch bloß unsere Vorstellung?)
Ein ›Historischer Roman‹ erzählt eine Geschichte meist nur etwas anders als es die offizielle Geschichtsschreibung tut – die auch nicht das beschreibt, was wirklich geschah, ja, es nie wird beschreiben können. Gerade deswegen braucht es die Romanschreiber: Sie stellen sich gegen allzu offensichtliche Geschichtsfälscher im Dienste des Staates.

Sonntag, 8. August 2010

Ein nicht zu unterschätzendes Argument gegen einen weisen Gott ist der Umstand, dass die Priester seit Anbeginn immer die gleichen Geschichtchen von sich geben. Da hat einer nicht gerade viel Phantasie.